#10 Hans Magnus Enzensberger

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Im Jahr 2004 er­schien in der "Anderen Bi­blio­thek" des Greno-Verlags eine Neu­auf­la­ge des "Kosmos", des fünf­bän­di­gen Haupt­werks Alex­an­der von Hum­boldts. Im Ge­spräch mit Helmut Mark­wort erklärt der Es­say­ist, Lyriker und Pu­bli­zist Hans Magnus En­zens­ber­ger die Gründe für die Fas­zi­na­ti­on, die von Werk und Per­sön­lich­keit des jün­ge­ren der beiden Hum­boldt-Brüder bis heute ausgeht.

Hum­boldt ist ein uni­ver­sel­ler Ge­lehr­ter, für den es keine Fach­gren­zen zu geben schien. In Botanik, Zoo­lo­gie, Physik und Chemie war er ebenso zu Hause wie in den Geo­wis­sen­schaf­ten, der As­tro­no­mie und Agrar­öko­no­mie. Selbst für das aus­ge­hen­de 18. Jahr­hun­dert, das noch keine fein­ver­zweig­te Spe­zia­li­sie­rung kannte, blieb eine der­ar­ti­ge Uni­ver­sal­kom­pe­tenz au­ßer­ge­wöhn­lich. Nicht nur die theo­re­ti­sche Viel­falt, sondern auch die prak­ti­sche Seite seiner geis­ti­gen In­ter­es­sen wirkt be­mer­kens­wert. Der For­schungs­rei­sen­de Alex­an­der von Hum­boldt ist Pionier und Er­obe­rer, For­scher und Wis­sen­schafts­ma­na­ger, Ex­pe­ri­men­ta­tor und En­tre­pre­neur, Ana­ly­ti­ker und Zeich­ner, Kon­struk­teur und Sys­te­ma­ti­ker. Und dabei ein Self­made­man, der keine Stäbe be­schäf­tigt, sondern das meiste allein schafft, ne­ben­bei tau­sen­de von Briefen ver­fasst, globale per­sön­li­che Netz­wer­ke pflegt und mit den Mäch­ti­gen der Welt in stän­di­gem Aus­tausch steht.

Hans Magnus En­zens­ber­ger be­schreibt, wenn er Hum­boldts in­tel­lek­tu­el­len Haus­halt schil­dert, spürbar auch sich selbst. Wie Hum­boldt ist er ein großer Rei­sen­der, den die Neugier bis ins höhere Alter in un­ter­schied­lichs­te Re­gio­nen treibt. Und wie Hum­boldt besitzt er eine un­er­schöpf­li­che Neugier, die sich in einer un­ge­heu­ren Zahl von un­ter­schied­lichs­ten Ver­öf­fent­li­chun­gen spie­gelt. Ihr Spek­trum reicht von Ge­dicht­bän­den, Versepen, Er­zäh­lun­gen, Do­ku­men­tar­ro­ma­nen, Dramen und Essays über Ma­the­ma­tik­ab­hand­lun­gen und Öko­no­mie-Schrif­ten bis zu Kinder- und Ju­gend­bü­chern, Rei­se­li­te­ra­tur, Er­in­ne­rungs­tex­ten und Bio­gra­fi­en. En­zens­ber­ger hat einen Poe­sie­au­to­ma­ten er­fun­den, der nach einem genau aus­ge­klü­gel­ten Al­go­rith­mus sechs­zei­li­ge Lang­ver­se über Welt­schmerz, Lie­bes­ver­lust, Verrat, Angst und Hoff­nung aus­spuckt. Er hat einen Poesie-Brunnen ent­wi­ckelt, der mittels Licht­pro­jek­tio­nen Verse als sprachmäch­ti­ge Il­lu­mi­na­tio­nen auf flie­ßen­de Was­ser­strö­me wirft. Nicht zuletzt ist er ein großer Ver­le­ger, der - nach der Er­fin­dung des für ganze Ge­nera­tio­nen bun­des­deut­scher In­tel­lek­tu­el­ler weg­wei­sen­den "Kurs­buchs" - mit Franz Greno in Nörd­lin­gen die "Andere Bi­blio­thek" her­aus­gab, in der hun­der­te bi­blio­phi­ler Aus­ga­ben oft ver­ges­se­ner Texte zu er­schwing­li­chen Preisen er­schie­nen.

Auch die Pracht-Edition des "Kosmos" gehörte 2004 in diesen Reigen. Sie do­ku­men­tiert die Arbeit eines Ge­lehr­ten, der mit einer For­mu­lie­rung seines kon­ge­nia­len Lesers En­zens­ber­ger "Welt­durst" hatte, niemals ein "Stu­ben­ge­lehr­ter" blieb, der auch po­pu­lä­re Wis­sen­schafts­ver­mitt­lung in der Öf­fent­lich­keit betrieb und damit seiner Zeit weit voraus war.

Peter-André Alt

Datum 19.09.2004
Sprache Deutsch
Länge 25 min 
Titel, Reihe Hans Magnus En­zens­ber­ger zu Gast bei Helmut Mark­wort, 3sat/Book­mark
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