#9 Albert Einstein

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Am 22. August 1930 hält Albert Ein­stein eine kurze Rede zur Er­öff­nung der Funk­aus­stel­lung, die zum sie­ben­ten Mal auf dem großen Aus­stel­lungs­ge­län­de in Berlin-Char­lot­ten­burg statt­fand. Ein­stein begrüßt in seiner Ein­lei­tung die "ver­ehr­ten An- und Ab­we­sen­den", womit er sorg­fäl­ti­ger­wei­se sowohl die vor ihm in großer Zahl ver­sam­mel­ten Be­su­cher als auch die Hö­re­rin­nen und Hörer an den Ra­dio­ge­rä­ten adres­siert; der So­zio­lo­ge Niklas Luhmann spricht drei Jahr­zehn­te später ganz in diesem Sinne von einer "Kom­mu­ni­ka­ti­on unter An­we­sen­den", die er sys­te­ma­tisch gegen jene "unter Ab­we­sen­den" ab­grenzt, wie sie durch Medien er­mög­licht wird.

Ein­stein er­in­nert zu­nächst daran, dass die tech­ni­schen In­no­va­tio­nen der Moderne durch "gött­li­che Neugier", den "Spiel­trieb des bas­teln­den und grü­beln­den For­schers" und die "Phan­ta­sie des Er­fin­ders" her­vor­ge­bracht wurden. Sehr genau hält diese Dia­gno­se die Balance zwi­schen Grund­la­gen­for­schung und an­ge­wand­ter For­schung, die in­ein­an­der­grei­fen müssen, damit Neue­run­gen ge­lin­gen können. Dass er die Neugier dabei als 'gött­li­ch' apo­stro­phiert, zeugt von einem Selbst­be­wusst­sein, das die Denker der Re­nais­sance noch nicht zu ar­ti­ku­lie­ren wagten. Denn damals hielt man in­tel­lek­tu­el­len Ent­de­ckungs­drang für ein Zeichen der Blas­phe­mie, die das Wis­sen­s­pri­vi­leg des Schöp­fers in Frage stellte.

In einer knappen Reihe re­ka­pi­tu­liert Ein­stein die Ent­wick­lung der akus­ti­schen For­schung von der Ent­de­ckung der ma­gne­ti­schen Wirkung elek­tri­scher Ströme über die Schall­erzeu­gung durch den Elek­tro­ma­gne­ten, die Ver­wand­lung von Schall­schwin­gun­gen in elek­tri­sche Strö­mun­gen bis zum Bau der elek­tri­schen Ven­til­röh­re als Medium für akus­ti­sche Schwin­gun­gen. Nicht nur der großen For­scher von Oersted über Maxwell bis zu Hertz und Lieben, die als Pio­nie­re das Radio er­mög­lich­ten, wird hier gedacht, sondern auch der 'na­men­lo­sen Tech­ni­ker', die In­stru­men­te bauten, stetig ver­ein­fach­ten und mas­sen­haft pro­du­zier­bar machten, sodass der Ra­dio­ap­pa­rat her­ge­stellt werden konnte.

Der Rund­funk ist für Ein­stein ein Medium, das wahre De­mo­kra­tie und Völ­ker­ver­stän­di­gung schafft. Durch seine kul­tu­rell-auf­klä­re­ri­sche Di­men­si­on ver­mit­telt er Men­schen Wissen und Kunst­ge­nüs­se, derer sie sonst nicht teil­haf­tig würden; das ist für Ein­stein eine volks­päd­ago­gi­sche, damit auch eine de­mo­kra­ti­sche Mission des Radios. Anders als die Zei­tun­gen, die oft na­tio­na­le Zerr­bil­der und Ego­is­men ver­mit­tel­ten, sei der Rund­funk aber zu­gleich ein Mittel der Völ­ker­ver­stän­di­gung, denn er führe die Men­schen ein­an­der in ihrer "lie­bens­wür­di­gen Seite" vor, ohne auf künst­li­che Grenzen und Feind­schaf­ten Rück­sicht zu nehmen. Die zu­hö­ren­de Ge­mein­schaft ist für Ein­stein das Sinn­bild eines ge­lun­ge­nen so­zia­len Mit­ein­an­der, das durch den Rund­funk ge­för­dert wird. Als po­li­ti­scher Prophet hat er hier al­ler­dings die ma­ni­pu­la­ti­ven Mög­lich­kei­ten des neuen Mediums un­ter­schätzt. Hitlers Pro­pa­gan­da­mi­nis­ter Go­eb­bels wird nur zwei­ein­halb Jahre später den Rund­funk zum Organ von Volks­ver­het­zung, Res­sen­ti­ments, Auf­peit­schung und Hass machen. Eine Mo­bil­ma­chung durch das Radio, wie sie der NS-Staat betrieb, hielt Ein­stein 1930 noch nicht für möglich. Dass Medien zu Auf­klä­rung und Ver­blen­dung, zu Il­lu­mi­na­ti­on und Ver­ne­be­lung glei­cher­ma­ßen bei­tra­gen können, sollten wir heute besser denn je wissen.

Peter-André Alt
 

Datum 22.08.1930
Sprache Deutsch
Länge 3:49 min 
Titel, Reihe Ton- und Bild­be­richt der Er­öff­nungs­fei­er der 7. Dt. Ton- und Pho­no­aus­stel­lung 1930 
Video United States Ho­lo­caust Me­mo­ri­al Museum, Bun­des­ar­chiv Film­ar­chiv