#7 Antje Boetius

In ihrem Oldenburger Festvortrag zur Eröffnung des akademischen Jahres 2019/20 formuliert die international renommierte Meeresbiologin Antje Boetius ein Plädoyer für eine engagierte und verantwortungsbewusste Naturforschung. Unter dem Titel "Expeditionen ans Ende der Welt - Aufbruch in der Wissenschaft" erkundet sie die wichtigsten Ziele der modernen Meeresbiologie.
Ausgehend von einem Zitat des jungen Alexander von Humboldt, der die Botanik als Schlüsselwissenschaft der Zukunft beschreibt, formuliert Boetius die Aufgaben der Meeres- und Klimaforschung. Auf unserem Globus sind eine Millionen aller Arten - ein Achtel der Gesamtzahl - durch den Klimawandel und die dadurch bedingte Veränderung der natürlichen Lebensbedingungen vom Aussterben bedroht. Die wesentliche Quelle für diese Bedrohung ist die stetig gestiegene CO2-Emission, die zu einer fortwährenden Erderwärmung führt. Die Ozeane bauen 30 Prozent der Emissionen ab, ohne dass die Kapazität dafür weiter gesteigert werden kann. Ein wesentlicher Effekt der Klimaerwärmung ist das Abschmelzen des Eises an den Polen unserer Erde.
Als Direktorin des Alfred Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung, das sie im Frühjahr 2025 verlassen wird, um eine große meereskundliche Forschungseinrichtung an der kalifornischen Pazifikküste zu leiten, hat Boetius zahlreiche Eismeer-Expeditionen verantwortlich durchgeführt. Sehr anschaulich beschreibt sie in ihrem Vortrag, wie solche Forschungsreisen durch die fortschreitende Erwärmung zunehmend erschwert werden. Für den Aufbau von Messtationen, die z.B. das Vorkommen von Algen in der Arktis erfassen, bedarf es stabiler Eisblöcke, die an vielen Stellen kaum noch gegeben sind. Teils ist das Eis bereits komplett verschwunden, teils hat es seine Substanz verändert, sodass es durch die umgebenden Wassermassen schneller verschoben werden kann. Für die Tiere der Arktis verbinden sich mit dem Rückgang des Eises dramatische Probleme bei der Nahrungssuche. Antje Boetius weist darauf hin, dass alle zehn Jahre 13 Prozent des Eises an den Polen schmelzen. Es bedarf keiner höheren Mathematik um zu errechnen, dass am Ende des Jahrhunderts das Eis verschwunden sein wird, wenn wir die Klimawerte nicht durch alternative Energieversorgung, Umdenken bei der Ernährung und beim Reisen erheblich verbessern.
Am Ende des Semesters, zu dessen Auftakt Antje Boetius an der Universität Oldenburg sprach, stand der Ausbruch der Corona-Pandemie. Es sollte zwei Jahre dauern, ehe wieder ein normaler Hochschulbetrieb möglich war. Auch das gehörte zu den Unwägbarkeiten der Natur, von denen Antje Boetius in ihrem Festvortrag redete. Gerade weil wir nur ahnen können, welche Krisen und Katastrophen uns demnächst ins Haus stehen, ist eine engagierte Naturwissenschaft, die uns mit den Grenzen unserer Ressourcen und den Notwendigkeiten des Umdenkens konfrontiert, absolut unabdingbar.
Peter-André Alt
Datum 22.10.2019
Sprache Deutsch
Länge 35 min
Titel, Reihe Expeditionen ans Ende der Welt - Aufbruch in der Wissenschaft, Feierliche Eröffnung des akademischen Jahres 2019/20
Video Carl von Ossietzky Universität Oldenburg