#6 Paul Krugman

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Paul Krugman, Pro­fes­sor für Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten an der City Uni­ver­si­ty of New York und zuvor am Mas­sa­chu­setts In­sti­tu­te of Tech­no­lo­gy sowie an der Prince­ton Uni­ver­si­ty, wurde 2008 mit dem No­bel­preis für Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten aus­ge­zeich­net.  Am 12. Februar 2019 sprach er im Rahmen der Corden Public Lecture an der Uni­ver­si­ty of Mel­bourne vor einem voll­be­setz­ten Au­di­to­ri­um. Krug­mans Thema war die Glo­ba­li­sie­rung in den Han­dels­be­zie­hun­gen und deren Aus­wir­kun­gen auf die in­di­vi­du­el­len Le­bens­ver­hält­nis­se, den Ar­beits­markt sowie die na­tio­na­len öko­no­mi­schen Stan­dards. Die Glo­ba­li­sie­rung, die seit den 1970er Jahren das Er­folgs­mo­dell für wirt­schaft­li­che Dynamik zu sein schien, wurde seit län­ge­rem im linken und rechten po­li­ti­schen Lager kri­tisch be­wer­tet. Die tief­grei­fen­den Wand­lun­gen in der Welt­wirt­schaft führten nicht einfach zu wach­sen­dem Wohl­stand und höherer Ver­tei­lungs­ge­rech­tig­keit, sondern auch zu so­zia­len Span­nun­gen und Brüchen. 

Krugman setzt mit einem kurzen his­to­ri­schen Abriss zur Ent­wick­lung der Welt­wirt­schaft seit dem 19. Jahr­hun­dert an. Sie stand zu­nächst unter dem Vor­zei­chen der bri­ti­schen In­dus­tria­li­sie­rung, der die ame­ri­ka­ni­sche Ex­pan­si­on seit den 1930er Jahren und schließ­lich ab 1970 die pan­na­tio­na­le Ent­wick­lung folgte. Die globale Welt­markt­struk­tur konnte erst ent­ste­hen, als die damals so­ge­nann­ten Ent­wick­lungs­län­der zu Pro­duk­ti­ons­or­ten wurden und gleich­zei­tig Waren durch stei­gen­den pri­va­ten Konsum ab­nah­men. Glo­ba­ler Handel, so zeigt Krugman, fördert den Anstieg der ge­ho­be­nen Ein­kom­men, schafft welt­weit mehr Ar­beits­plät­ze und ist damit ge­samt­wirt­schaft­lich gesehen ein Er­folgs­mo­dell. Als der Welt­markt in den 80er Jahren wuchs, wurden als Vor­tei­le vor allem die Ab­sen­kung der Zölle und der bü­ro­kra­ti­schen Hürden bei gleich­zei­ti­ger Re­du­zie­rung der Pro­duk­ti­ons­kos­ten gesehen. Mit­tel­fris­tig be­wirk­te diese Ent­wick­lung jedoch, wie Krugman aus­führt, eine Schwä­chung west­li­cher Ar­beits­märk­te und hohe Risiken für niedri­qua­li­fi­zier­te Be­schäf­tig­te.
 
Die aus schnel­lem Wachs­tum des Welt­han­dels re­sul­tie­ren­den Stö­rungs­ef­fek­te für na­tio­na­le Märkte lösen par­ti­el­le Ab­gren­zungs­pro­zes­se ge­gen­über der Glo­ba­li­sie­rung aus, etwa durch eine Politik der Schutz­zöl­le. Krugman belegt diese Tendenz zudem anhand des Mei­nungs­wan­dels re­pu­bli­ka­ni­scher Wähler in den USA, die noch in der Reagan-Ära ent­schie­de­ne Glo­ba­li­sie­rungs­an­hän­ger waren und nun das Lager ge­wech­selt haben. Krugman be­leuch­tet mit seinen Be­fun­den auch das Ge­heim­nis des Erfolgs von Donald Trump, der zum Zeit­punkt des Mel­bourne-Vor­trags bereits die Hälfte seiner ersten Amts­zeit ab­sol­viert hatte. Die ge­misch­ten Er­fah­run­gen mit der Glo­ba­li­sie­rung und deren Aus­wir­kun­gen auf die na­tio­na­len Märkte führen zu po­li­ti­schen Ge­gen­ten­den­zen gerade im po­pu­lis­ti­schen Kontext, wie die US-Wahlen vom No­vem­ber 2024 zeigen. Der Markt- und Fi­nanz­ex­per­te Krugman ver­lässt mit seinen Ana­ly­sen das Zentrum der klas­si­schen Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten und betritt den Bereich der ak­tu­el­len po­li­ti­schen Öko­no­mie - das in diesem Vortrag nach­zu­ver­fol­gen ist au­ßer­or­dent­lich lohnend.

Peter-André Alt

Datum 16.04.2019 (Vortrag vom 12.02.2019)
Sprache Eng­lisch
Länge 75 min (Vortrag ab min 09:00)
Titel, Reihe What did we miss about glo­ba­li­sa­ti­on? Corden Public Lecture
Video The Uni­ver­si­ty of Mel­bourne