
Manuel Linsenmeier
Manuel Linsenmeier zeigt, wie Daten Klarheit in die Klimakrise bringen. Der Umweltökonom verbindet Klimamodelle mit Wirtschaftszahlen, deckt weltweite Risiken auf und liefert Fakten für gerechtere Politik. Sein Ziel: Lösungen statt Pessimismus – und eine Zukunft, in der wir handeln, bevor es zu spät ist.
Der Klimawandel hat immense soziale und wirtschaftliche Folgen – genauso wie politische Maßnahmen, die sie eindämmen sollen. Manuel Linsenmeier kombiniert Vorhersagen von Klimamodellen mit Wirtschaftszahlen, um die gesellschaftlichen Folgen der Erderwärmung besser zu verstehen und mögliche Lösungen aufzuzeigen.
Steigt die durchschnittliche Jahrestemperatur in Zukunft an, nehmen auch Temperaturschwankungen zu. Diese Schwankungen sind – wie die Temperaturerhöhung selbst – mit wirtschaftlichen Konsequenzen verbunden: Die Kosten der Energieversorgung und des Gesundheitssystems steigen, die Wirtschaft leidet unter geringerer Planbarkeit, das Investitionsklima verschlechtert sich.
Manuel Linsenmeier hat berechnet, wie stark die Bruttoinlandsprodukte weltweit durch diese Schwankungen schrumpfen. „Vor allem ärmere Länder in den Tropen und Subtropen müssen mit den höchsten zusätzlichen Kosten auf Grund von zunehmender Variabilität rechnen“, sagt er. Mit ökonometrischen Methoden und maschinellem Lernen analysiert er riesige Datensätze, um Muster zu erkennen. Man könnte ihn als Big-Data-Detektiv bezeichnen, der in Zahlenbergen nach Zusammenhängen sucht.
Oft heißt es, dass kältere Weltregionen in künftigen Klimaszenarien vom Klimawandel profitieren. Doch das zeigen die Daten nicht.
In den Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat zum Beispiel hat Linsenmeier Belege dafür gefunden, dass die jährliche Wirtschaftswachstumsrate in der EU aufgrund des Klimawandels um 0,5 Prozentpunkte schrumpfen könnte, wenn man von einem mittleren Klimaszenario ausgeht. „Oft heißt es, dass kältere Weltregionen in künftigen Klimaszenarien vom Klimawandel profitieren. Doch das zeigen die Daten nicht. Das ist eine wichtige politische Botschaft“, sagt Linsenmeier. Vor allem die Landwirtschaft und das verarbeitende Gewerbe wären stark betroffen. „Die Auswirkungen werden regional sehr unterschiedlich sein und Anpassungsmaßnahmen müssen daher gezielter als bisher entwickelt werden.“
Eine Datenbasis für die globale Gerechtigkeit
Linsenmeiers Interesse an Klima- und Wetterdaten begann mit seinem Meteorologiestudium. „Schon während der ersten Semester habe ich gemerkt, dass der Bedarf an einem genaueren Verständnis des Klimasystems geringer ist als der Bedarf an Erkenntnissen zu seinen sozioökonomischen Auswirkungen und Lösungsansätzen“, erinnert er sich. Für ein Zweitstudium wählte er Volkswirtschaftslehre, für die Doktorarbeit die Schnittstelle zwischen beidem: die Umweltökonomie.
Seither bewegt sich Manuel Linsenmeier gekonnt im interdisziplinären Raum zwischen Sozioökonomie und Klimawissenschaften. Er untersucht die wirtschaftlichen Folgen von Temperaturschwankungen genauso, wie die Bedeutung von Wettervorhersagen für die Katastrophenvorsorge oder die Verbreitung von Klimapolitik von einem Land zum nächsten – immer auf Basis solider Daten.
Nach Stationen in London, New York und Princeton hat er an der Goethe-Universität Frankfurt mit dem Center for Critical Computational Studies eine neue geistige Heimat gefunden. Das Center entwickelt Methoden der Künstlichen Intelligenz und nutzt sie für kritische Analysen. Linsenmeier setzt diese Werkzeuge ein, um Klima- und Wirtschaftsdaten auf Fragen globaler Gerechtigkeit zu durchleuchten.
Wir müssen begreifen, dass wir sehr wohl etwas bewirken können. Wie schlimm es wird, liegt in unserer Hand.
Ein Beispiel: Wettervorhersagen werden mit steigenden Temperaturen und besseren Modellen immer wichtiger, um bei Extremwetter Leben zu retten. Ausgerechnet in Ländern, die vom Klimawandel besonders stark betroffen sind, funktioniert die Wettervorhersage jedoch schlechter. „Wenige reiche Länder stellen derzeit die Infrastruktur für die globale Wettervorhersage bereit“, sagt Linsenmeier. „Wenn man den Ländern im globalen Süden helfen möchte, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen, wäre es ein wichtiger Schritt, die Finanzierung für die Wetterbeobachtung und die Wettervorhersage auszubauen.“ Damit auf seine Daten auch Taten folgen, versucht Linsenmeier mit Organisationen wie dem Internationalen Währungsfonds, der Weltbank oder den Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten, die ihre Entscheidungen häufig auf der Basis von Daten treffen.
Künftig will der Umweltökonom die Kosten des Klimawandels und die Anpassungspotenziale möglichst genau berechnen – und so politikrelevante Erkenntnisse gewinnen. „Ich möchte zu einer nachhaltigeren und resilienten Gesellschaft beizutragen“, sagt Linsenmeier. Dabei versucht er, zwischen gegensätzlichen Positionen zu vermitteln. Denn häufig blockieren Zielkonflikte klimapolitisch sinnvolle Maßnahmen – zum Beispiel, wenn man Energiekonsum und Emissionen verringern will, zugleich aber die Wirtschaft nicht übermäßig belasten darf. Die Umweltökonomie mit ihren abwägenden Methoden kann helfen, eine goldene Mitte im Sinne des Gemeinwohls zu finden.
Technologien entwickeln sich sprunghaft
„Ich stelle mich mit meiner Forschung dem Pessimismus entgegen, dass wir nichts mehr tun können und alles ganz schlimm wird“, sagt Linsenmeier. Gerade im Bereich der Emissionsvermeidung gebe es viel Grund zu Optimismus, da sich Technologien sprunghaft entwickeln und viele Länder Fortschritte machen. „Wenn das so bleibt, wird die Welt schon aus wirtschaftlichen Gründen die Emissionen sehr stark reduzieren – unabhängig davon, wer in den USA Präsident ist.“, sagt Linsenmeier. Im Bereich der Anpassung an die Klimafolgen hingegen gebe es wesentlich mehr zu tun: Selbst in optimistischen Klimaszenarien sei der Bedarf an Maßnahmen weltweit enorm. Möglich sei diese Transformation dennoch. „Wir müssen begreifen, dass wir sehr wohl etwas bewirken können“, sagt Linsenmeier. „Wie schlimm es wird, liegt in unserer Hand.“

Manuel Linsenmeier ist Professor für Umweltökonomie am Center for Critical Computational Studies (C3S) der Goethe-Universität Frankfurt. Zuvor forschte er als Postdoc an der Columbia University (2022-24) sowie an der Princeton University (2024-25). Linsenmeier hat an der London School of Economics zu Umweltökonomie promoviert und zuvor Meteorologie, Nachhaltigkeit und Volkswirtschaftslehre in Hamburg, Leeds und Berlin studiert. Seit 2025 ist er Fellow der Wübben Stiftung Wissenschaft.