
Wie gelingt es, hochqualifizierte Wissenschaftler:innen zu gewinnen? Erfahrungen aus der Forschungsförderung
Donia Lasinger, eine unserer Expert:innen für internationale Mobilität, schildert ihre Erfahrungen aus Sicht einer Forschungsförderorganisation und verdeutlicht, wie attraktive Fördermittel, gezielte Unterstützung und klare Karriereperspektiven einen Unterschied im Wettbewerb um internationale Top-Talente machen.
Von Donia Lasinger
Wissenschaft ist global und Wissenschaftler:innen sind mobil, wie Nobelpreisträgerin Emmanuelle Charpentier in einem Interview betont. Wien war von 2002 bis 2009 ein wichtiger, aber längst nicht der einzige Forschungsort in ihrem eindrucksvollen Werdegang. Der Wettbewerb um talentierte Wissenschaftler:innen ist ein international wichtiges und zunehmend brisantes Thema. Sich als Forschungs- und folgend auch als attraktiver Wirtschaftsstandort damit auseinanderzusetzen, ist essenziell. Wie können exzellente Forschende gewonnen und langfristig an einem Ort gehalten werden? Und welche Rolle können Förderorganisationen dabei spielen?
Attraktive Rahmenbedingungen
Forschungseinrichtungen konkurrieren um Spitzenkräfte. Förderorganisationen können durch attraktive Förderprogramme dazu beitragen, internationales Talent anzuziehen. Ein Beispiel hierfür ist das Vienna Research Groups for Young Investigators Programm (VRG) des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF). Mit einem Budget von 1,8 Mio. Euro für bis zu acht Jahre ermöglicht es jungen Forschenden den Aufbau einer eigenen Forschungsgruppe. Dieses Programm bietet im Vergleich zu anderen nationalen und internationalen Programmen attraktive Mittel und Karriereperspektiven. Da es sich an junge Talente mit internationaler Forschungserfahrung außerhalb Österreichs richtet, erwartet der WWTF, dass Wiener Forschungseinrichtungen, die an internationalen "rising stars" interessiert sind, sowohl durch eine breite Ausschreibung als auch durch gezielte Ansprachen exzellente Kandidat:innen identifizieren.
Zentrale Anlaufstelle
Der WWTF weist die aufnehmenden Einrichtungen darauf hin, dass attraktive Rahmenbedingungen mehr umfassen als eine kompetitive Vergütung und ein attraktives Forschungsumfeld. Er erachtet es für wichtig, dass internationale „rising stars“, die mit dem VRG-Programm nach Wien geholt werden, durch eine zentrale Ansprechperson in das akademische System Wiens eingeführt werden und auch in Fragen des täglichen Lebens (Wohnungssuche, Bürokratische Erfordernisse, steuerliche und versicherungstechnische Fragen, sprachliche Hürden) Orientierung und Hilfe erfahren.
Dual Career und Betreuungsmöglichkeiten für Kinder
Der Dual Career Support des WWTF bietet Unterstützung für internationale Dual Career Paare, die im Wissenschafts- und Forschungsbereich tätig sind. Er ermöglicht den im Vienna Research Group for Young Investigators geförderten jungen Wissenschaftler:innen die Vernetzung mit Organisationen im Großraum Wien, um Partner:innen bei der Stellensuche und der Integration in den Arbeitsmarkt zu helfen. Der WWTF kooperiert dabei mit verschiedenen Institutionen, um umfassende Informationen und Kontaktnetzwerke bereitzustellen. Er berät auch bei Fragen zu Schulen und Betreuungsmöglichkeiten für Kinder. Beide Angebote, Dual Career- und Familienserviceberatung komplementieren entsprechende Bemühungen an den Wiener Universitäten und Forschungseinrichtungen und können die Entscheidung internationaler Wissenschaftler:innen für den Standort Wien positiv beeinflussen.
Klare Karriereperspektiven
Um talentierte wissenschaftliche Talente auch nach Ablauf der Förderung durch den WWTF in Wien zu halten, legt der WWTF Wert darauf, dass die Universitäten und Forschungseinrichtungen bereits bei Antragstellung klare Karriereperspektiven für die „rising stars“ aufzeigen. Der WWTF fungiert dabei als Sparringspartner für die Wiener Universitäten und Forschungseinrichtungen und unterstützt auf diese Weise die Entwicklung von internationalen Spitzenforschenden in Wien. Der Erfolg dieser Maßnahmen lässt sich daran ablesen, dass ca. 80% der im VRG Programm geförderten internationalen Wissenschaftler:innen in Wien geblieben und mehrheitlich als Full Professors tätig sind.
Einen Unterschied machen
Förderorganisationen sind also nicht nur Mittelgeber, sondern können (und sollten) eine entscheidende Rolle als Partner:innen für Top-Talente einnehmen – indem sie an der Gestaltung der Rahmenbedingungen und der Entwicklung eines Anreizsystems mitwirken, wie beispielsweise durch die Förderung von Onboarding- oder Dual-Career-Maßnahmen. Förderorganisation sollten den Anspruch haben, auch systemisch zu wirken, Strukturen zu hinterfragen und gelegentlich aufzubrechen, nach Exzellenz zu streben und mit einem langen Atem einen Unterschied zu machen.

Donia Lasinger
Donia Lasinger leitet seit Oktober 2024 das Förderwesen und die Kommunikation der B&C Privatstiftung in Österreich. Zuvor war sie zwölf Jahre für den WWTF tätig, zuletzt als stellvertretende Geschäftsführerin, und befasste sich mit wissenschaftlichen Karrieren, Dual-Career-Modellen und der Gewinnung sowie Bindung wissenschaftlicher Talente in und für Wien.